Lieber Roger, eigentlich mag ich dich ja ganz gut. Du bist ein durchaus charmantes, witziges und schlagfertiges Kerlchen. Und ich finde es toll, dass du jetzt sogar Michelle Hunziker in den Schatten stellst und in deutschen TV-Talkshows zu unserem beliebtesten Exportschlager avanciert bist. Weshalb sollst nicht auch du von der Personenfreizügigkeit profitieren und dir in Deutschland ein paar Euro dazu verdienen dürfen – angesichts des fortschreitenden LeserInnen-Verlusts deiner Weltwoche (2009: 373’000, 2013: 252’000) kannst du das ja auch gut brauchen. Übrigens: Damit es dir finanziell nicht an den Kragen geht und auch dein Übervater Christoph Blocher nicht noch tiefer in seine Tasche greifen muss, erneure ich Jahr für Jahr treu mein Weltwoche-Abonnement (wahrscheinlich bin ich inzwischen dein einzige Abonnent, der nicht eingeschriebenes SVP-Mitglied ist). Als liberaler Geist toleriere ich es auch durchaus, wenn du dich in deinem Blatt hin und wieder arg verrennst. Ich meine jetzt nicht deine Interpretation der Abstimmung über die Masseneinwanderungs-Initiative (die war so welt- beziehungsweise Schweiz-fremd, dass sie mich schon beinahe amüsiert hat). Ich meine damit deine Kampagne gegen den Film “Akte Grüninger”. Die ist, sorry, wenn ich das hier etwas salopp sage, echt in die Hosen gegangen. Zuerst hast du deinen sympathischen, aber leider etwas naiven Kulturredaktor Rico Bandle gegen den St. Galler Polizeikommandanten ins Feld geschickt, um dessen Rettung von Tausenden von Juden vor dem Naziregime als einen Akt der Kollaboration mit den Nazis zu denunzieren (!) und die damalige schweizerische “Das Boot ist voll”-Politik schönzureden. Dann liessest du den israelisch-schweizerischen “Journalisten” Shraga Elam gegen Grüninger anschreiben – obschon jeder halbwegs kundige Chefredaktor oder Historiker in unserem Lande weiss, dass Elam im besten Fall ein “Irrer” ist, der wirre Thesen zusammenbastelt, die zwar nie bewiesen, aber jederzeit leicht widerlegt werden können. Und zu guter Letzt holst du noch Serge Klarsfeld (78) hinter dem Ofen hervor, der sich in Frankreich zwar als Nazijäger verdient gemacht hat, jedoch über die Auswirkungen der bundesrätlichen Flüchtlingspolitik vor und während des Zweiten Weltkrieges nach eigenem Bekunden nur sehr beschränkt Bescheid weiss (siehe Weltwoche Nr. 7.14). Dir kommt er damit allerdings sehr gelegen, weil er es dir mit seinen – auf haltlosen Mutmassungen statt Fakten beruhenden – Zahlen erneut ermöglicht, die damalige unmenschliche Politik unserer Landesregierung zu beschönigen. Eine Politik notabene, gegen die sich seinerzeit neben Paul Grüninger auch ganz viele andere Schweizerinnen und Schweizer aus Gewissensgründen aktiv wehrten. Aber, hey, Roger, mach’ dir nichts draus! $o lange das deutsche TV-Publikum und seine Moderatoren deinen Worten glauben, ist ja alles gut. A propos: Den Film “Akte Grüninger” haben inzwischen schon rund 40’000 Kinogängerinnen und Kinogänger gesehen, Ich gehe davon aus, dass dank deiner kontinuierlichen Berichterstattung auch einige interessierte LeserInnen der Weltwoche darunter waren. Danke also im Namen der Filmemacher und -macherinnen für deine Propaganda. Bitte nicht aufhören!
Sacha Wigdorovits